Mit Fingerhut und wilden Rosen
1905 wird die renovierte Tabor-Kirche eingeweiht - ein Zeitzeuge berichtet
Über eine „erhebende Feier“ berichtet die „Hohenschönhausener Zeitung“ vom 22. Februar 1905 und meint damit die Einweihung der „neurenovierten Dorfkirche, die fortan den Namen 'Tabor-Kirche‘ tragen wird“. Ein Exemplar dieser Ausgabe befindet sich im Besitz von... und es ist mehr als kurzweilig zu lesen, was ein gewisser G. von diesem Ereignis zu berichten weiß. Vom „ungeheuren Andrang“ schreibt er und davon, dass man die Kirche verschließen musste, nachdem alle Inhaber von Sitzplatzkarten ihre Plätze eingenommen hatten und man sich in den Gängen drängte.
G. schaut sich in der Kirche um, bevor die Honoratioren eintreffen, und staunt über die zahlreichen und wesentlichen Veränderungen, die wir uns heute gar nicht mehr so richtig vorstellen können. „Das frühere Knechtchor und das Orgelchor sind aus der Kirche entfernt, das alte Gestühl der Kirche hat einem neuen schwarz gehaltenen Platz machen müssen ...
Der Pfeiler beim Eintritt in die Kirche hat sich aus baulichen Gründen ... nicht entfernen lassen. Das Unschöne ist aber durch die schöne Malerei aufgehoben ...
In den Treffpunkt der Rippen mit dem Stützpfeiler hat er (der Maler Kutschmann d.R.) einen Blumenkorb gemalt, aus dem sich Fingerhut, Winde u.s.w. weiße und rote wilde Rosen an die Decke emporranken, den Eindruck hervorrufend, daß man sich in einem Laubengange befindet ...
Die Decke über Altar und Bild ist als nächtlicher Sternenhimmel gehalten. Jawohl, es ist tatsächlich von unserer Tabor-Kirche die Rede!
Ein neuer Altar hat Einzug gehalten, die Orgel hat einen neuen Platz bekommen und wurde klanglich verbessert, die Beleuchtung ist, nach einem bronzenen Kerzenkronleuchter, nun ganz modern und arbeitet mit Gasglühlicht. Der neue Kronleuchter ist, ebenso wie der Taufstein, ein Geschenk der Hohenschönhausener Frauen. „Die Kanzeldecke ist von den Jungfrauen, der Altarteppich von dem Kirchenpatron, die Läufer vom Grundbesitzerverein und das Kreuz vom Ortspfarrer und seiner Schwester gestiftet worden.“
„Glockengeläut verkündete das Nahen des Festzuges aus dem Pfarrhause‘, so G., wieder in der Gegenwart angekommen, „Unter Vorantragung der Altarbibel, der Kirchenagende und der heiligen Geräte bewegte sich der feierliche Zug einmal um die Kirche herum bis an die Kirchtür ...
Brausende Orgelmusik empfing den Zug bei seinem Eintritt in die Kirche. Es folgt eine längere Aufzählung der Amts- und lokalen Würdenträger, die sich im Festzug befanden, schließlich sollte keiner vergessen werden.
„Nach Absingen der drei ersten Verse des Liedes Nr. 52 des Provinzialgesangbuches: „Tut mir auf die schöne Pforte!” hielt der Generalsuperintendent Dr. Faber eine Ansprache und es folgte dann der Weiheakt.“ Pfarrer Betke predigte zu Matthäi 17, 1-9.
„Die Schlußliturgie des Generalsuperintendenten Dr. Faber und der Schlußgesang der Gemeinde ... vollendeten die schöne Feier; unter Orgelspiel und Glockengeläut leerte sich die Kirche.
Eine Nachfeier fand später im Wirtshaus am Orankesee durch ein Essen, das der Patron der Kirche veranstaltet hatte, statt.
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Mit Vergnügen widmete sich diesem Text Carola Gohlke