Das Thema

Klare Worte

Antisemitismus hat in unserer Kirche keinen Platz (mehr)!


In den Nachrichten wurde berichtet, dass die Straftaten mit antisemitistischem Hintergrund sich seit dem

7. Oktober nahezu verdoppelt haben. Berlin ist in diesem Zusammenhang ein Hotspot. Das erschreckt mich, erschreckt uns als Redaktionsteam. Wir wollen dazu klar Stellung beziehen auch in unserer Gemeinde!


Die Evangelische Kirche hat seit ihrem Bestehen über Jahrhunderte ihren Antijudaismus gepflegt, der schlussendlich im Antisemitismus mündete. Die Juden wurden pauschal als Christusmörder verunglimpft. Einige Bibelstellen - allen voran die Passionsgeschichte aus dem Matthäus-Evangelium - wurden dahingehend interpretiert und ausgelegt: Der Ruf der Menge: „Kreuzige ihn!“ und „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“

(Matth. 17,23+25)


So wurden Juden im Denken der Christen zu Menschen 2. Klasse. Schon von Martin Luther sind Äußerungen überliefert, für die ich mich heute noch schäme, wenn er beispielsweise fordert, Synagogen niederzubrennen und das Judentum zu vernichten. Dieses Denken zieht sich durch unsere Kirchengeschichte.


Wir haben also keinen Grund, auf dem hohen Ross zu sitzen. Als im Dritten Reich die Judenverfolgung begann, haben die Kirchen lange geschwiegen. Sicher, es gab auch die andere Seite: Solidarität und Auswanderungshilfe. Das waren aber eher Einzelinitiativen, die im besten Fall von der Kirche geduldet wurden. Die Umkehr begann erst mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches. Und es war auch dann noch ein langer Weg zu dem Bekenntnis: Wir Christen sind schuldig geworden an unseren jüdischen Mitmenschen, weil wir geschwiegen haben zu den Verbrechen an ihnen, geschwiegen zu dem Leid in den Konzentrationslagern.


Seitdem arbeiten Theologen und Laien daran, den neu entstandenen jüdisch christlichen Dialog nicht abreißen zu lassen. Die Theologie besinnt sich zunehmend auch auf ihre alttestamentlichen Wurzeln. Sie hat den Antijudaismus unserer Kirchenväter als Fehler erkannt und benannt. In der neuen Perikopenordnung ist die Zahl der alttestamentlichen Predigttexte verdoppelt worden.


Heute fahren Gemeindegruppen nach Israel. Sie sind sich der Tatsache, dass Jesus Christus ein gläubiger Jude war, sehr bewusst. Jesu Predigten, sein Leben können wir nicht nachvollziehen, wenn wir das Alte Testament außer Acht lassen.

Der jüdische Glaube ist danach auch unsere Wurzel als Christen!


Die Bibel erzählt die Geschichte der Menschen mit Gott. Sie erzählt, wie Menschen ticken! Die Rufe einer Masse, die sich manipulieren lässt, scheint es immer gegeben zu haben: Im Alten Testament berichtet die Geschichte vom Goldenen Kalb davon oder auch das Buch Esther. Im Neuen Testament belegen es die Passionsgeschichten.


Hitler und Göbbels waren Meister darin, Massen zu manipulieren. Selbst in der DDR-Geschichte gibt es Beispiele, wie das funktioniert hat. Und auch heute gibt es sie, die Menschen, die mit der Mehrheit schwimmen, das eigene Denken einstellen und tumb beispielsweise AfD-Propaganda nach beten. Es ist also eine sehr menschliche Eigenschaft und keine explizit jüdische, die die Menge dazu treibt: „Kreuzige ihn!“ zu schreien. Es ist derselbe Geist, den Göbbels herausforderte, als er brüllte: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ und alle schrieen „Ja!“ Dabei wollten so viele den Krieg eigentlich nicht.


Das eine wie das andere Mal galt: Der Mensch verschwindet gern in der Menge!

Es ist eine Form, der Verantwortung für eigenes Handeln zu entgehen. „Ich kann nichts dafür, der hat gesagt, das machen doch alle so...!“ Vor Gott funktioniert das nicht. Jeder Mensch ist für sein eigenes Tun verantwortlich.


Wenn die Bibel diese Geschichten erzählt, will sie genau das deutlich machen. Jeder Mensch ist Gott verantwortlich für das, was er sagt und tut. Die Bibel will keine pauschalen Schuldzuweisungen verteilen.

Sie will uns zum Denken und Handeln bewegen, sie will uns zeigen, wie Gott unser Leben will. Ein Leben auf Gott bezogen, im Gebet unter der Überschrift Jesu: „Du sollst Gott über alle Dinge lieben und vertrauen und deinen Nächsten, wie dich selbst!“ Das lässt keinen Freiraum, andere auszugrenzen oder zu diffamieren!


Das lässt schon gar keinen Raum für Antisemitismus. Überall, wo der uns begegnet, sind wir gerufen, genau hin zuschauen und laut „Halt!“ zu rufen.


Wir, als Christen, als Menschen, die sich auf Jesus Christus berufen, sagen „Nein!“ zu Antisemitismus, wir sagen „Stopp!“, wenn Menschen aufgrund von Hautfarbe, aufgrund ihres Glaubens oder aufgrund anderer Lebensformen ausgegrenzt oder diffamiert werden. Das ist unsere Verantwortung.

Was auch immer geschieht - es muss dabei bleiben: Unser Kreuz hat keine Haken!


Eva-Maria Hollerung


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