Andacht

"Und sie traten zu ihm umfassten seine Füße..."   (Mt 28,9)

Aussehen spielt in der christlichen Botschaft kaum eine Rolle und doch begegnet uns Jesu Körper in der Vorbereitung auf Ostern und an den Osterfeiertagen in unterschiedlicher Form und Gestalt in den Texten der Evangelisten.


In erster Linie als geschundener und geschlagener Körper in den Verhören (Joh 19,1) und auf dem Weg zur Kreuzigung (Mt 27,33), als sterbender (Mt 27,50, Joh 19,30) und toter (Mt 27,59, Joh 19,34) Körper, als bestatteter (Mt 27,60), verschwundener (Mk 16,6) und dann vor allem als auferstandener (Mt 28,9) Leib.


Es sind Körperbilder der Gebrechlichkeit, die sich uns zeichnen, Spuren der Entbehrung und des Scheiterns sind
zu erkennen. Die Situation von körperlicher Abhängigkeit und Verletzlichkeit, ähnlich wie in der Weihnachtsgeschichte, prägt die Situation zu Ostern.


Ein scheinbar gar nicht mal so starker Körper, ein scheinbar überwältigter Körper wird uns da beschrieben. Und doch spielt er eine wichtige Rolle.


Sein Verschwinden lässt die Auferstehung erahnen, die Berührung desselben lässt die Auferstehung
für die ersten Zeug*innen real werden (Mt 28,9).


So auf die Ostergeschichte geblickt, ist es vor allem ein leibliches Geschehen. Und ganz persönlich kann ich meinen Auferstehungsglauben gut mit leiblichen Empfindungen verbinden.

Wenn beim Joggen endlich die schweren Gedanken verschwinden und das Herz plötzlich wieder leichter schlägt, wenn nach längerer Krankheitsphase im Bett und auf der Couch wieder die ersten Schritte an der frischen Luft anstehen oder wenn ich nach einem schwierigen Gespräch aufstehen kann, mich dehne und strecke - kleine Auferstehungserfahrungen des Alltags.


Auch das erste Mal zum Badestrand zu fahren, kann ein solches „Wieder-Ins-Leben-Eintauchen‘ sein.


Im Badezimmer eines guten Freundes fiel mir dabei vor einiger Zeit dieser kleine Aufkleber auf. Er hing am Spiegel und auf Englisch stand darauf geschrieben: „How to have a beach body:


1. Have a Body

2. Go to the beach“.


Frei übersetzt: „Anleitung für die Strandfigur: 1. Eine Figur also einen Körper haben 2. Zum Strand gehen.“ So einfach scheint es zu gehen.


Und doch: Bereits in den kalten Tagen nach Weihnachten („Und das Wort ward Fleisch geworden“) wurde mir deutlich, dass sich das Ganze ein wenig komplizierter darstellt.


Schon oder gerade zu Beginn des Jahres werden mir nicht selten in Zeitung und Werbung Angebote und Anreize gereicht, mich sportlich zu betätigen. Mit Blick auf die jährliche Badesaison soll ja keine Zeit verschwendet, muss das Laissez-Faire der Feiertage auch wieder rein geholt werden.


Die Angebote sind meist untermauert mit Bildern durch trainierter und mehr als gesunder Körper, sportlich und / oder spärlich bekleidet, die Sonne scheint, das Meer glitzert in der Ferne. Schön aus zuschauen, keine Frage, und ein Lichtblick in den kurzen Januartagen, wo wir uns und unsere Körper - ob der Kälte - in dunkle Schals und noch dunklere Mäntel zu wickeln pflegen.


Und doch beschleicht mich dabei ein mulmiges Gefühl. Plötzlich wird aus der einen zukünftigen Strandfigur, nämlich meiner zukünftigen Strandfigur, diese eine zukünftige Strandfigur. Zu den auf dem Aufkleber einfach verständlichen Schritten Eins und Zwei gesellen sich plötzlich Schritt Drei bis Unendlich dazu, die mich unruhig werden lassen und die mir vor allem zu verstehen geben: Dein Körper, so wie er gerade ist, ist nicht in Ordnung, nicht so wie er sein soll, könnte doch so viel schöner sein.


Zwischen mich und meinen Körper schiebt sich ohne meine Zustimmung ein „Müsste“, ein „Soll“ und „Könnte“, es entsteht eine Distanz und es gelingt weniger, den eigenen Körper zu spüren.


Ich bin deswegen froh über die biblischen Texte der Passions- und Osterzeit. Sie weisen mich auf die Zerbrechlichkeit und Schutzbedürftigkeit unserer Körper hin.

Die Fastenzeit bietet mir die Möglichkeit, dieser Begrenztheit in bewusstem Rahmen nachzuspüren.


Und dennoch bleibt der Körper der Ort der Auferstehung, kein Plakat, kein Slogan, kein Traum.


Ihr Körper, mein Körper, unsere Körper, so wie sie sind. Das macht mich froh. In Anlehnung an den Sticker könnte also eine Osteranleitung lauten:


How to Auferstehung:

1. Einen Körper haben,

2. Auferstehung erleben.


Ich wünsche Ihnen eine schöne und fühlbare Passions- und Osterzeit.

Felix Sens

Pfarrer in der Entsendung

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